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Pages of Aquarius (musikansich.de)

Sie sind wieder da. Nicht, dass sie jemals weg gewesen wären. Aber sie sind wieder da. Dass die Legendary Pink Dots zu meinen absoluten Lieblingsbands gehören, dürfte jedem Leser, der mehr als zehn meiner Reviews oder Geschichten gelesen hat, bekannt sein. Ich stufe es mal so ein: Meine Grundprägung auf anspruchsvollere Musik habe ich von Pink Floyd bekommen. Doch deren Tage waren, als ich sie richtig kennen lernte (mit The Wall), quasi schon gezählt. Meine Prägung auf durchaus experimentellere Musik leiteten dann ausgerechnet Talk Talk ein, die ich als Popband kennenlernte und sie mich mit ihrer Entwicklung mitgenommen haben. Die Legendary Pink Dots kamen dann genau zu rechten Zeit und öffneten meine musikalische Ausrichtung noch viel weiter. Und das Wichtigste: sie begleiten mich seit dem ich sie 1987 entdeckt habe Jahr für Jahr weiter.

Die Band um die Masterminds Edward Ka-Spel und The Silverman machte in diesen Jahren musikalisch und personell unglaublich viele Wandlungen durch und blieb sich doch immer treu. Die letzte große Wandlung war wohl der Weggang des langjährigen Wegbegleiters Niels van Horn 2009. Sein Spiel auf den Blasinstrumenten war gut 20 Jahre ein sehr prägendes Element des Pink-Dots-Sounds. Danach wandelte die Band sich zu einer fast rein elektronischen und überaus experimentellen Band. Die Kreativität nahm fast sogar noch zu. Doch die Alben wandelten sich von den songorientierten Popperlen zu ausschweifenden Erkundungen der elektronischen Musikwelten. Auch dabei entstanden ausgesprochene Perlen wie z.B. Chemical Playschool 16 & 18, zwei Randvolle CDs mit nur drei Stücken. Musik zum Entdecken und darin Versinken, doch ohne diesem naiven Popappeal, den die Dots bei allen Experimenten immer auszeichnete. Und just wo ich mit der neuen Ausrichtung abfinden wollte kommen sie nun mit Pages of Aquarius, einem fetten (Vinyl-)Doppelalbum und blasen mich wieder einmal weg.

“Mirror Mirror“ eröffnet mit fetten elektronischen Beats und breiten, eingängigen Soundflächen. Dazu eine ebenso fette, rockige Gitarre, ein Gesang von Edward Ka-Spel auf höchsten Niveau. Dazu brodeln psychedelische Klänge im Untergrund. Mal wieder ein erstklasssiger Opener.

“The greatest Story ever told“ bleibt zunächst treibend. Der dunkle Keyboardsound ist omnipräsent, besonders betörend der eigentlich einfache programmierte Rhythmus. Manchmal reicht ein einziger unerwarteter Ton um einen Ohrwurm zu kreieren. Sicherlich kommt hier auch Edwards Zusammenarbeit mit Der Blutharsch durch. Das Stück würde zweifellos auf ein Album dieses Projektes passen. Ab der Mitte löst sich das treibende Stück in die schon vorher präsenten psychedelischen Klangspielerin auf und mündet in einer Art Postpsychedelik mit hymnischen Keyboardklängen und einem dieser typischen Textmonologen Edwards.

“D-Train“ bleibt kraftvoll. Eine sphärische Gitarre, pulsierende elektronische Beats und eine dunkle, wavige Melodie wie man sie immer wieder gern von den Dots hört. Dieses Stück hätte eicherlich auch bereits schon Ende der 80er entstanden sein können, besticht aber durch seinen überaus modernen Sound. Wäre das Album nach diesen drei Stücken zu Ende, wäre ich wahrscheinlich schon glücklich gewesen und würde sie auf Dauerrotation stellen, aber zum Glück geht es ja weiter.

Die zweite Seite des Vinylalbums beginnt mit “Credibility“. Hier finden wir einen absolut typischen Pink-Dots-Song. Ein leichter Walzerrhythmus, das führende Piano spielt eine herrlich naive Melodie und die Gitarre umrandet das ganze suptil psychedelisch. Die Elektronik begnügt sich mit dem einstreuen einiger Effekte, um das ganze schwebender und psychedelischer zu gestalten. Erinnert mich an „Hauptbahnhof“, einem ganz alten Stück der Band. Nur eine selbstbewustere Fassung, was sich im Gesang und auch im Text niederschlägt.

“Trending“ bleibt ebenfalls in der sphärischen, ruhigen Stimmung. Die Keyboards / Elektronik kreieren einen schwebenden, von Glockenklängen unterstützten Sound. Die Perkussion ist ganz sanft, postrockartig gesetzt. Dunkle Drones überlagern den Sound, durch den Keyboardklänge wie Wassertropfen perlen. Ein elektronisch-psychedelisches Kleinod, das von der perfekt eingesetzten Gitarre veredelt wird.

Touching the forelock“ bietet dann einen typischen, schrägen Popsong der Band. Ein fast schunkelnder elektronischer, dunkler Beat, schräge programmierte Perkussionen und jede Menge psychedelische Sounds. Dazu singt Edward leicht abgehoben. Für Dotheads wie mich Pop pur.

Die dritte Vinylseite gehört dem zweiteiligen “Don´t go there“. Die Laufzeit von 17:10 verteilt sich auf den ersten Teil “Pages aquarian“ das mit einer rockigen Gitarre, einem treibenden Bass aus dem Synthesizer und vielen elektronisch-psychedelischen Sounds besteht. Das Ganze ist sehr mystisch und dunkel angelegt und zieht den Hörer in fremde Welten. Hieraus entsteht ein kurzer, spaciger, etwas zefaserter Part der in einem großen, elektronischen Rauschen mündet, das mit Sprachfetzen und Sounds unterlegt ist. Nach einer ganz kurzen Pause brandet das Rauschen nochmal auf, mündet dann aber sofort in einer mächtigen elektronischen Perkussion.

Damit sind wir im zweiten Teil “Jacob’s Ladder“ angekommen. Ein Stück das in seiner Art sehr an das Nebenprojekt Teargarden erinnert und mit seinem Beat und den vielen Sounds fasziniert. Das Stück mündet in einen wundervoll schwebenden Ende, die Keyboards klingen versöhnlich und doch melancholisch. Der glasklare Sound beeindruckt. Die Pianomelodie am Ende mit Edwards Gesang und den Geräuschen sind einfach nur faszinierend.

“Prodigal“ eröffnet die letzte Seite dieses großartigen Albums. Hier präsentiert die Band nocheinmal eine großartige, düstere Ballade. Pochende elektronische Perkussion, eine dunkle Gitarre, und dann große Keyboardflächen. Die naive Melodie lehnt sich ein wenig an der von “Jacob’s Ladder“ an. Ganz großer, dunkler Pop, mit zerbrechlichen Gerüst, großflächigen Sounds, aufbrandender, treibender Perkussion und einer Prise Optimismus im Unterton.

“The weight of water parts 1 – 4“ bietet dann einen weiteren Longtrack mit knapp 16 Minuten. Eröffnet wird mit dunklen, treibenden Beats, wieder vermengt mit psychedelischen Geräuschen. Dann setzt Edwards dunkler Sprechgesang ein. Stoisch arbeitet der Beat, ebenso stoisch wirkt der Gesang. Großflächige, hymnische Keyboardsounds setzen ein, der Beat verschwindet, chorale Gesänge tauchen auf. Dann explodiert der Song in einem manischen Beat, wilden psychedelischen Klängen und Stimmgewirr. Das Stück zerfällt, baut sich mit wenigen elektronischen Geräuschen wieder auf und dann setzt eine melancholische, aber wunderschöne Keyboardmelodie ein. Der Untergrund brodelt wieder voller Geräusche unheilvoll. Eine psychedelische Soundlandschaft aus elektronischen Klängen entsteht, getragen von einem sphärischen Keyboard, darüber spricht Edward. Dann zerfällt erneut alles und mündet in einigen Sekunden der Stille. Abgeschlossen wird mit wenigen Perkussionen, elektronischen Sounds und einer melancholischen Gitarre, die wie eine Zither klingt. Und so geht ein kraft- und phantasievolles Album stimmungsvoll zu Ende.

Pages of Aquarius ist ein absolut fantastisches Pink-DotsAlbum das durchaus viele Rückgriffe auf die eigene Historie vornimmt, ganz oft an alte Songs erinnert, dies aber in einem derartig überraschend modernen und starken Gewand, dass es für mich in die Reihe ihrer besten Alben aufsteigen lässt. Das Album ist die perfekte Symbiose aus den Soundtüfteleien der letzten Alben und der Bandvergangenheit, verpackt in einen großartigen, modern klingenden Sound. Asylum, Island of Jewels, The Golden Age, Crushed Velvet Apocalypse, The Maria Dimension, Shaddow Weaver / Malachai, Hallway of the Gods, Chemical Playschool 16 & 18, Pages of Aquarius. Und zusätzlich ist das Ganze in einem wunderschön psychedelisch gestalteten Cover eingepackt.

Doch Vorsicht: Das Album wird wohl keine komplette Rückkehr zu den songorientierten Arbeiten sein, denn in einem Interview kündigte Edward Ka-Spel bereits den nächsten, opulenten Teil der reichhaltigen Chemical-Playschool-Serie mit einem 2-CD-Werk an.

Wolfgang Kabsch

source

 

[excerpt:]

They’re back. Not that they had ever been away. But they are back. That the Legendary Pink Dots are one of my favorite bands, probably every reader who has read more than ten of my reviews or stories, to be known….

“Mirror mirror” opens with fat electronic beats and broad, catchy sound surfaces. Given an equally rich, rocking guitar, a song by Edward Ka-Spel at the highest level…..

“The greatest story ever told” initially remains impulsive… From the middle of the driving piece dissolves into the already-present psychedelic sound player and opens into a kind postpsychedelic with anthemic keyboard sounds and one of these typical text monologues by Edward.

“D-Train” remains powerful. A spherical guitar, pulsating electronic beats and a dark, waving tune how they like to hear of the Dots. This piece could be created already at the end of the 80, but impresses with its very modern sound.

The second side of the vinyl album begins with “credibility”. Here we find an absolutely typical Pink Dots song. A light waltz rhythm, leading piano plays a delightfully naive melody and the guitar surrounded the whole suptil psychedelic. It reminds me of “Central Station”.

The third vinyl side belongs to the two-part “Don’t go there”. The maturity of 17:10 is divided into the first part of “Pages aquarian” made with a rocking guitar, a driving bass from the synthesizer and many electronic-psychedelic sounds. The total is applied very mystical and dark and draws the listener into unknown worlds.After a very brief break, the noise breaks out again, then opens but immediately in a powerful electronic percussion.

And so we come in the second part of “Jacob’s Ladder”.  The piece ends in a wonderful floating end, the keyboards sound conciliatory, yet melancholic. The crystal-clear sound is impressing. The piano melody at the end with Edwards singing and the sounds are just fascinating.

“Prodigal” opens the last page of this great album. Here the band presents once again a great, gloomy ballad. Throbbing electronic percussion, a dark guitar, and then large keyboard pads. The naive melody leans a little against the “Jacob’s Ladder”. Quite large, dark pop, with fragile scaffolding, large sounds, rhythmic percussion and a pinch of optimism in the undertone.

“The weight of water parts 1 – 4” then offers another long track with just under 16 minutes. It opens with dark, driving beats, again mixed with psychedelic sounds. Then Edward sets a dark chant. Stoic working the beat, as stoically acts of singing. Large, anthemic keyboard sounds employ, the beat disappears chorale chants emerge. Then the song explodes into a manic beat wild psychedelic sound.

Pages of Aquarius is an absolutely fantastic Pink Dots album that makes quite a lot of recourse to its own history, quite often reminiscent of old songs, but in a such a surprisingly modern and strong garmentThe album is the perfect symbiosis of the sound fiddling jobs of the last albums and the bands past, wrapped in a great, modern-sounding sound. And in addition, the whole thing is wrapped in a beautifully designed psychedelic cover.

But beware: The album will be probably not a complete return to the song-oriented work, because in an interview Edward Ka-Spel announced  already the next part of the opulent rich Chemical Playschool series with a 2-CD album .

Interview mit Edward Ka-Spel (amusio.com – german)

9. Mai 2016, von

Wenn legendäre Bands schon so zahlreich ihre Aufwartung beim Jubiläums-WGT machen, darf eine Band, die ihren Nimbus schon im Namen trägt, nicht fehlen: Willkommen The Legendary Pink Dots! Eingebettet in den Verlauf einer Tour, die auch dazu dienen soll, den aktuellen Langspieler Pages Of Aquarius (Metropolis/Soulfood, ab Freitag) zu präsentieren, wird die niederländisch-britische Kultband das Auditorium des Schauspielhauses erfreuen, voraussichtlich am Sonntagabend. Am Pfingstmontag geht es dann weiter nach Köln, wo die faszinierenden Querdenker im MTC gastieren werden. Im Voraus gewährte Frontmann Edward Ka-Spel Einblicke in die Hintergründe einer der latent bedeutsamsten Formationen der Szene.


Edward Ka-Spel, Legendary Pink Dots

amusio: „Hi Edward, Du wohnst schon seit geraumer Zeit in London. Was hat dich dazu bewegt, die beschaulichen Niederlande zu verlassen?“

Edward Ka-Spel: „Meine Mutter ist 2010 verstorben und hat mir das Haus vererbt, in dem ich nun mit meiner Frau und unserer kleinen Tochter lebe. Meine Mutter war damals das Einzige, was mich noch mit England verband. Aber dann dachten wir, dass wir es einfach mal versuchen sollten, trotz des fiesen Wetters hier. Aber die Zeit in Nijmegen und später in Süd-Limburg bleibt unvergessen. Ich fahre immer wieder mal hin, allein schon weil der Rest der Band dort verblieben ist.“

amusio: „Zunächst wollten wir nur über das neue Album Pages Of Aquarius sowie die Tour sprechen, die euch unter anderem auch nach Köln führen wird. Doch nun ist auch noch das WGT hinzugekommen…“

Edward Ka-Spel: „Unsere Teilnahme am WGT war zunächst gar nicht geplant. Schließlich läuft unsere Tour ja quasi zeitgleich. Doch dann hatte eine andere Band ihren Gig auf dem WGT abgesagt. So erging die Frage an uns, ob wir das vielleicht doch noch hinbekommen könnten. Und siehe da: Es passte perfekt! Den Sonntag hatten wir noch frei, am Montag geht es dann weiter nach Köln.“

amusio: „Werden sich eure Auftritte zwischen dem WGT und der regulären Tour gravierend unterscheiden? Etwa hinsichtlich des Repertoires oder auch der Dauer, zumal ihr ja für ausgesprochen extensive Gigs bekannt seid?“

Edward Ka-Spel: „Wir sind mit einem komplett neuen Set unterwegs, das wurde ja auch mal Zeit. Eine speziell fürs WGT modifizierte Show wird es nicht geben. Wenn man es uns gestattet, sprengen wir in Leipzig gerne den üblichen Zeitrahmen eines Festivalkonzerts.“

Edward Ka-Spel, Legendary Pink Dots, Entremuralhas 2014 (Helena Granjo)

amusio: „Was denkst du generell über das WGT?“

Edward Ka-Spel: „Ich finde es phantastisch, wie sich die Leute dort ihr eigenes Universum kreieren. Wir haben ja schon einige Male dort gespielt. Und ich hege da nur die besten Erinnerungen. Mal abgesehen von jemandem, der bei unserem Konzert eine belgische Fahne schwenkte. Das fand ich befremdlich (lacht). Im Ernst, die Leute sind dort sehr aufmerksam und schätzen ihre Künstler. Auf dem WGT wird zugehört, das ist mir das Wichtigste.“

amusio: „In den vergangenen Jahren huldigten eure Alben ziemlich ungehemmt der Abstraktion. Pages Of Aquarius scheint hingegen sehr fokussiert zu sein…“

Edward Ka-Spel: „Ja, das ungehemmt Experimentelle haben wir auf dem neuen Album gegen enthemmte Intensität eingetauscht. Auf Pages Of Aquarius ist nicht ein einziger Ton dem Zufall überlassen worden. Jedes Detail wurde sehr bewusst gewählt und gesetzt. Ich finde, es ist ein ausgesprochen kurzweiliges Album geworden. Die Reise scheint schneller vorbei zu sein, als die Laufzeit von einer Stunde suggeriert.“

amusio: „Von der Improvisation habt ihr also Abstand genommen?“

Edward Ka-Spel: „Nein, Improvisation ist stets vorhanden, aber wir haben das Material anschließend mit größter Sorgfalt editiert. Nimm mal den Song Greatest Story Ever Told. Dessen erste Hälfte ist komplett improvisiert. Aber es war uns wichtig, nie den Song aus den Augen zu verlieren.“

amusio: „Erinnerst du dich eigentlich an alle deine Releases?“

Edward Ka-Spel: „Ich denke schon, sie sind ja ein wesentlicher Teil von mir. Aber ich habe aufgehört, die Alben zu zählen. Ich erinnere mich besser anhand der einzelnen Songs, die kann ich zeitlich recht exakt einordnen. Auch wenn ich mich nicht auf Anhieb an sämtliche Texte erinnere, die in den Achtzigern oder Neunzigern bei irgendwelchen obskuren Sessions entstanden sind.“

The Legendary Pink Dots: “Pages Of Aquarius”

amusio: „Nach wie vor scheinen eure Pop Noir-Songs, wie sie etwa das Album Any Day Now auszeichnen, beim Publikum besonders beliebt zu sein…“

Edward Ka-Spel: „Wenn wir Any Day Now heute aufgenommen hätten, wäre Pages Of Aquarius dabei herausgekommen.“

amusio: „Stimmt, das neue Album trägt diese gewisse Atmosphäre von einem Song wie Waiting For The Cloud in sich.“

Edward Ka-Spel: „Genau! Aber wir haben die wirklich abgefahrenen Sachen längst nicht ad acta gelegt. Warte mal die nächsten Veröffentlichungen ab (lacht). Es wird auch ein Konzeptalbum mit Amanda Palmer von den Dresden Dolls geben. Und auch ein neues Tear Garden Album ist in der Mache. cEvin Key und ich sind schon ganz fleißig dabei, fünf Songs haben wir bereits fix.“

amusio: „Warum bist du so kreativ?“

Edward Ka-Spel: „Weil die Musik in mir einfach geschieht. Und dies tagtäglich. Früher oder später ergeben sich dann auch die entsprechenden Projekte. Zugegeben, mein Drang zum kreativen Ausdruck ist schon immens. Und er hat mich bis heute auch noch nie verlassen. Ich kann und will das nicht ändern, auch wenn ich letztlich doch ziemlich besessen bin.“

amusio: „Besessen von der Musik, doch als Mensch scheinst du eher der besonnene Typ zu sein, oder?“

Edward Ka-Spel: „Stimmt, die Besessenheit bezieht sich nur auf die Musik. Meine Persönlichkeit sollte ihr dabei nicht im Weg stehen.“

amusio: „Inwiefern beeinflusst deine räumliche Trennung zu den anderen Legendary Pink Dots euer Schaffen?“

Edward Ka-Spel: „Sie äußert sich anhand eines konzentrierteren und wesentlich disziplinierteren Arbeitens. Früher spielten wir nach Lust und Laune munter drauflos, denn wir hatten ja täglich die Gelegenheit dazu. Wir haben uns oft treiben lassen, waren manchmal sogar eine Spur zu lässig. Heute beherzigen wir einen anderen workflow, da wir die Notwendigkeit erkannt und anerkannt haben, die Gelegenheiten zum gemeinsamen Musizieren zu einhundert Prozent auszunutzen. Faul waren wir noch nie. Aber dass wir nun so großen Wert auf Disziplin legen, wundert uns manchmal selbst ein wenig.“

amusio: „Diese Diszipliniertheit ist Pages Of Aquarius anzuhören…“

Edward Ka-Spel: „Wir lieben es zu sehen, wie sich Disziplin auszahlt.“

Edward Ka-Spel, The Legendary Pink Dots, Entremuralhas 2014 (Helena Granjo)

amusio: „Kommen wir kurz auf das inhaltliche Konzept des Albums zu sprechen. Es  handelt offensichtlich von der bevorstehenden Zeitenwende…“

Edward Ka-Spel: „Die Hinwendung zum Optimismus des neuen Wassermann-Zeitalters hat ja bereits vor über vierzig Jahren eingesetzt. Die alten Hippies haben ausgedient. Nackt im Mondenschein zu tanzen, hat sich nicht als Erlösung erwiesen. Aber der Spirit ist geblieben. Und wird sich nach und nach durchsetzen. Die Welt ist schön, das Leben ist schön! Noch liegen, bildhaft gesprochen, die gestrandeten Fischkadaver herum und stinken vor sich hin. Aber bald werden sie vollständig verwest sein. Alles wird gut! Darum endet das Album mit großer Zuversicht und Hoffnung, auch wenn auf ihm noch jede Menge Dunkelheit vorhanden ist.“

amusio: „Und mit Mirror Mirror eine packende Eröffnung. Wer scheut denn da den Blick in den Spiegel?“

Edward Ka-Spel: „Das bin tatsächlich ich. Ich kann mein Spiegelbild einfach nicht ertragen! Höchstens von der Seite, etwa auf dem Weg an einem Schaufenster entlang (lacht).“

amusio: „Aber sich zum Blickfang der Show zu machen, das liegt dir schon, oder? Ich erinnere mich da zum Beispiel an ein Konzert im Kölner Luxor, im Vorprogramm von Skinny Puppy…“

Edward Ka-Spel: „Oh ja, da habe ich zum Ende hin meine Disks durch die Gegend geworfen. Ich war emotional sehr aufgekratzt, das war aber eine Ausnahme. Das Showelement stelle ich inzwischen etwas zurück, denn, wie gesagt, alles hat der Musik zu dienen und sich den Songs unterzuordnen.“

amusio: „Woher nimmst die Motivation?“

Edward Ka-Spel: „Sie entspringt dem Wissen, dass nichts von alleine kommt. Dass man im Leben für gewöhnlich nichts geschenkt bekommt. Man muss seine Position im Leben selbst definieren. Keine Zeitvergeudung zulassen. Letztlich zielt die Frage nach der Motivation nach der Identifikation: Ich mache das, was ich tun muss.“

amusio: „Und dabei schreibt dir niemand etwas vor?“

Edward Ka-Spel: „Doch, mein Spiegelbild (lacht).“

amusio: „Oder die Erwartungen des Publikums?“

Edward Ka-Spel: „Unser Publikum erwartet, dass wir keine Erwartungen erfüllen. Und das schon seit über 35 Jahren.“

source

English:

INTERVIEW WITH EDWARD KA-SPEL (THE LEGENDARY PINK DOTS)

With so many legendary bands making their appearance at the anniversary WGT, one band that already bears their nimbus in their name should not be missing: Welcome The Legendary Pink Dots! Part of a tour that will also serve to present current full – length Pages Of Aquarius (Metropolis/Soulfood, out Friday), the Dutch-British cult band will delight the Schauspielhaus auditorium, probably on Sunday evening. On Whit Monday we will then continue to Cologne, where the fascinating lateral thinkers will be guests at the MTC. In advance, frontman Edward Ka-Spel provided insights into the background of one of the scene’s latently most significant formations.

amusio: “Hi Edward, you have been living in London for quite some time. What made you leave the tranquil Netherlands?”

Edward Ka-Spel: “My mother passed away in 2010 and left me the house where I now live with my wife and our little daughter. Back then, my mother was the only thing that connected me to England. But then we thought we should just give it a try, despite the nasty weather here. But the time in Nijmegen and later in South Limburg will not be forgotten. I keep going there, if only because the rest of the band stayed there.”

amusio: “First of all, we just wanted to talk about the new album Pages Of Aquarius and the tour, which will also take you to Cologne, among other places. But now the WGT has also been added…”

Edward Ka-Spel: “Our participation in the WGT was not originally planned. After all, our tour is running at almost the same time. But then another band canceled their gig at the WGT. So we were asked if we could still manage it. Lo and behold: it fit perfectly! We still had Sunday off, on Monday we will continue to Cologne.”

amusio: “Will your performances differ significantly between the WGT and the regular tour? Regarding the repertoire or the duration, especially since you are known for extremely extensive gigs?”

Edward Ka-Spel: “We’re on the road with a completely new set, it’s about time. There will be no show specially modified for the WGT. If we are allowed, we are happy to go beyond the usual time frame of a festival concert in Leipzig.”

amusio: “What do you think about the WGT in general?”

Edward Ka-Spel: “I think it’s fantastic how the people there create their own universe. We’ve played there a few times. And I only have the best memories there. Except for someone who waved a Belgian flag at our concert. I found that strange (laughs). Seriously, the people there are very attentive and appreciate their artists. People listen at the WGT, that’s the most important thing for me.”

amusio: “In recent years your albums have paid homage to abstraction quite uninhibitedly. Pages Of Aquarius , on the other hand, seems very focused…”

Edward Ka-Spel: “Yes, on the new album we exchanged the uninhibited experimental elements for uninhibited intensity. Not a single note has been left to chance on Pages Of Aquarius . Every detail was chosen and placed very consciously. I think it turned out to be a very entertaining album. The journey seems to be over faster than the one-hour running time suggests.”

amusio: “So you refrained from improvising?”

Edward Ka-Spel: “No, improvisation is always present, but we then edited the material with great care. Take the song Greatest Story Ever Told . The first half is completely improvised. But it was important to us never to lose sight of the song.”

amusio: “Do you actually remember all your releases?”

Edward Ka-Spel: “I think so, they are an essential part of me. But I stopped counting the albums. I remember better based on the individual songs, I can chronologically arrange them quite precisely. Even if I don’t immediately remember all the lyrics that were created in some obscure sessions in the 80s or 90s.”

amusio: “Your pop noir songs, such as those featured on the album Any Day Now , still seem to be particularly popular with the public…”

Edward Ka-Spel: “If we had recorded Any Day Now today, Pages Of Aquarius would have come out of it.”

amusio: “That’s right, the new album has that certain atmosphere of a song like Waiting For The Cloud .”

Edward Ka-Spel: Exactly! But we haven’t put the really wacky things away for a long time. Wait for the next releases (laughs). There will also be a concept album starring Amanda Palmer from the Dresden Dolls. And a new Tear Garden album is also in the works. cEvin Key and I have been very busy, we already have five songs fixed.”

amusio: “Why are you so creative?”

Edward Ka-Spel: “Because the music just happens in me. And this every day. Sooner or later the corresponding projects will arise. Admittedly, my urge for creative expression is immense. And to this day he has never left me. I can’t and won’t change that, even though I’m pretty obsessed in the end.”

amusio: “Obsessed with music, but as a person you seem to be the level-headed type, don’t you?”

Edward Ka-Spel: “Yes, the obsession only relates to the music. My personality shouldn’t get in her way.”

amusio: “To what extent does your spatial separation from the other Legendary Pink Dots influence your work?”

Edward Ka-Spel: “It manifests itself in a more concentrated and much more disciplined way of working. We used to play whenever we felt like it because we had the opportunity to do so every day. We often let ourselves drift, sometimes even being a little too casual. Today we follow a different workflow, as we have recognized and acknowledged the need to make 100% use of opportunities to make music together. We’ve never been lazy. But the fact that we now attach so much importance to discipline sometimes surprises us a little.”

amusio: “This discipline is to listen to Pages Of Aquarius …”

Edward Ka-Spel: “We love to see discipline pay off.”

amusio: “Let’s talk briefly about the content of the album. It’s obviously about the coming turning point…”

Edward Ka-Spel: “The turn to the optimism of the new Age of Aquarius began more than forty years ago. The old hippies have had their day. Dancing naked in the moonlight hasn’t proven to be a salvation. But the spirit stayed. And will gradually prevail. The world is beautiful, life is beautiful! Figuratively speaking, the stranded fish carcasses are still lying around and stinking to themselves. But soon they will be completely decomposed. Everything will be fine! That’s why the album ends with great confidence and hope, even if there’s still a lot of darkness left on it.”

amusio: “And with Mirror Mirror a thrilling opening. Who is afraid of looking in the mirror?”

Edward Ka-Spel: “That’s actually me. I just can’t stand my reflection in the mirror! At most from the side, for example on the way along a shop window (laughs).”

amusio: “But making yourself the eye-catcher of the show is something for you, isn’t it? I remember, for example, a concert at the Luxor in Cologne, supporting Skinny Puppy…”

Edward Ka-Spel: “Oh yeah, I threw my discs around towards the end. I was very emotional emotionally, but this was an exception. In the meantime, I’m putting the show element back a bit, because, as I said, everything has to serve the music and be subordinate to the songs.”

amusio: “Where do you get the motivation from?”

Edward Ka-Spel: “It springs from the knowledge that nothing comes by itself. That nothing in life is usually given for free. You have to define your position in life yourself. Don’t allow time to be wasted. Ultimately, the question of motivation is aimed at identification: I do what I have to do.”

amusio: “And no one tells you anything?”

Edward Ka-Spel: “Yes, my reflection (laughs).”

amusio: “Or the expectations of the audience?”

Edward Ka-Spel: “Our audience expects us not to live up to expectations. And that for more than 35 years.”

Pages Of Aquarius (The Quietus)

Pages Of AquariusThe problem with the Age of Aquarius is that nobody seems to know when it’s due, or indeed whether or not it’s already begun. According to the song ‘Aquarius’ from hippy musical Hair, the dawning will come when “The moon is in the seventh house, and Jupiter aligns with Mars.” Unfortunately, as astrologer Neil Spencer has noted, the moon enters the seventh house daily, while Jupiter and Mars are aligned several times a year. Other astrologers have argued for Aquarian start dates ranging from 1447 right up until 3597.

In the popular imagination, however, the Age of Aquarius will always be associated with the “love generation” counter-culture of the 1960s, and represents the utopian new age that their flower power shenanigans were supposed to usher in. In other words, it should be here by now, and it manifestly isn’t. As Legendary Pink Dots’ mainstay Edward Ka-Spel notes, if this is Aquarius page one then love, peace and good hair are hardly qualities in the ascendant. “It wasn’t supposed to be like this,” he writes. “Are we in for another 2,160 years of this?”

Ultimately though, Ka-Spel’s conclusions are optimistic. What we’re actually living through are the death throes of the Pisces Age, he argues; it’s brutal and painful, but it won’t last. The way to get through is by letting go, on both a personal and societal level, and in order to do this we need to look unflinchingly at where we are now, what is holding us back and what will help us move forward.

So the album’s opening track, ‘Mirror, Mirror’ tackles introspection, narcissism and self-loathing alongside the hard but necessary task of looking closely at your own self and putting the work in to improve. Stinging synthesiser blasts reflect this flinching process over driving electronic percussion, before a melancholy mellotron passage suggests a degree of sorrowful self-acceptance has been found. On ‘The Greatest Story Ever Told,’ a swarm of buzzing clockwork wasps soundtrack rising existential dread before the song shifts into a litany of reasons not to worship God, or indeed watch his movies on TV, all set to a queasy rendition of ‘All Things Bright and Beautiful.’ The Age of Pisces is often identified as the Christian era, and early Christians identified themselves using two fishes as a symbol; among other qualities, Aquarius is associated with the decline of religion and the rise of technology. “We worship technology,” Ka-Spel whispers ambivalently at the close.

How the glorious analogue squelching of ‘D-Train’ fits into the concept I’m not sure, but ‘Credibility’ and ‘Trending’ take a look at the world around us, the former cursing “Damn your eyes, austerity” over lullaby-like piano, while the latter looks at the mysterious force of the zeitgeist as represented by popular topics on social media. Watching “the great sea ripple,” Ka-Spel wonders who or what is driving the trends, directing our thoughts and attention as one linked collective organism.

The album concludes with two multi-part epics. The near-eighteen minute ‘Don’t Go There- Page Aquarian- Jacob’s Ladder’ begins in haunting yet propulsive style, discussing surveillance culture and “cameras everywhere” before shifting onto memory as a form of observation, returning to the theme of looking unsparingly at your own past actions and how they’ve led you to where you are now. A collage of found sound leads into a passage of spare percussion over which Ka-Spel considers the stars and the notion of destiny, before the final section finds tentative piano chords reverberating over the sound of a gathering storm. Here considerations of mortality and the afterlife are resolved into the need to make peace and find some kind of acceptance.

For CD listeners, that’s where the album ends, but it would be a shame to miss out on the sixteen-and-a-half minute ‘The Weight of Water Parts 1-4,’ which is only available on digital and double vinyl editions. A dry, steady pulse beat supports slabs of musique concrete and some non-judgemental meditations on self-destructive behaviour, before a frantic flurry of low piano notes in a repeating, claustrophobic loop successfully simulates a panic attack. This then shifts into an oceanic evocation of waking at 3am with the realisation that your life has been wasted in deceit and acquisitiveness, before the instrumental final section captures a zen-like sensation of beatific release, with acoustic and electronic textures beautifully balanced against each other.

Aquarius of course is the water bearer, and ‘The Weight of Water’ effectively sums up the pain and difficulty of this period of transition. There’s no need though to take the astrological metaphors literally; this album can be enjoyed purely as an unsettling and moving 83 minutes of music, and for those who do listen closely to the words, Ka-Spel’s dry sense of humour undercuts any tendency towards new age pretentiousness.

Their long history could make some wrongly see the Legendary Pink Dots as unapproachable or worse, irrelevant. But Pages of Aquarius is an album that stands on its own merits. Even if you’ve never bought a Pink Dots record before, this is a progressive, provocative and ultimately positive statement about the world we’re all living in today.

by Ben Graham, May 3rd, 2016

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